Wissenschaftssprache Deutsch nicht mehr in?
„Ich finde es angenehm, daß es eine einzige, führende Wissenschaftssprache gibt“, meint der 24-jährige Biologiestudent, Oliver Barnstedt, der an der Bremer Jacobs University studiert. Er will in die Forschung und da sei das Studium in Englisch von großem Vorteil. An dieser Vorzeige-University studieren junge Menschen aus 112 Ländern der Welt, davon 30% aus Deutschland. Eine zwingende Voraussetzung ist, daß aller Unterricht in Englisch stattfindet, sagt Peter Wiegand, Sprecher des Elite-Instituts. “ Auf Deutsch würde unser Konzept einer internationalen Hochschule überhaupt nicht funktionieren“. Der ganze Betrieb an der Jacobs University,d.h. Studieren, Kommunizieren, selbst die Hochschulverwaltung wird auf Englisch abgewickelt. Und die Uni ist stolz auf ihre Internationalität, es sei die Zukunft internationaler Hochschulen in Deutschland.
Zunehmend gibt es Kritik in der sprachpolitischen Entwicklung, und man hört: Forschung und Lehre finden in Deutschland immer öfter in Englisch statt. Die Wissenschaftssprache Deutsch sei vom Untergang bedroht. Es wird befürchtet, daß deutsche Studierende die Fähigkeit verlieren, der Öffentlichkeit ihre Wissenschaft zu vermitteln.
Eine Studie an Hochschulen ergab: Ausländer wünschen sich mehr Deutsch zu lernen und dies auch im Hochschulalltag. Die Fokussierung auf Englisch bewirke ein Gefühl des Ausgeschlossenseins, einer nicht gelebten Internationalität und behindert interkulturelle Erfahrungen.
„Zumindest das Grundstudium sollte noch in der Muttersprache stattfinden, damit uns nicht irgendwann die Worte fehlen, wenn wir über Forschungsergebnisse auf Deutsch sprechen“. So die Meinung des Wissenschafts-Bestsellerautors, Stefan Klein. Die Wissenschaftskommunikation sei hierzulande dramatisch unterentwickelt.
In der Hochschulrektorenkonferenz wird es als Wettbewerbsverzerrung bezeichnet, daß nicht englischsprachige Veröffentlichungen weniger berücksichtigt werden.
„Wenn wir nicht mehr Wert auf Debattierübungen oder Schulungen zur Vortragskunst legen, werden wir sehr bald merken, daß sich die Fokussierung auf das Englische im Wissenschaftsbetrieb nicht gelohnt hat“, ist Stefan Klein überzeugt.
[Quelle: FAZ – 21./22. Januar 2012 – Nr. 18 – C 1/Sabine Hildebrandt-Woeckel]